Tödlicher Unfall bei der Wartburg-Rallye 2013 in Thüringen.
Janina Depping, eine der bekanntesten deutschen Rallye-Pilotinnen, und ihre
Beifahrerin Ina Schaarschmidt sind tot. Ihr Fahrzeug kam bei hohem Tempo von
der Straße ab, zerschellte an einem Baum und ging in Flammen auf. Das Wrack
ihres Mitsubishi Carisma ist kaum noch als Auto erkennbar und mit Schaudern
denke ich daran, wie furchtbar die Überreste der beiden jungen Frauen ausgesehen
haben mögen. Ich wünsche mir von Herzen, daß die beiden von diesem Unfall
nichts mehr mitbekommen haben. Beim Mittagessen hörte ich zu meinem Entsetzen
von den angesprochenen Kollegen nur Sprüche wie „Selbst schuld!“ und sogar ein
„Zwei verrückte Umweltzerstörer weniger!“.
Manchmal frage ich mich, wie verroht, verblendet und
beschränkt Menschen sein können. Oder wollen. Sicher, selbst schuld. Offenbar
hat man nur ein Anrecht auf Mitleid, wenn man sein Leben im sicheren heimischen
Keller verbracht hat. Wer dagegen seinen Traum von einer sportlichen Karriere (
und keine davon ist absolut ohne Risiko ) verwirklicht, wird im Falle des
Ablebens mit Verachtung bestraft. Natürlich, wenn es ein paar prestigeträchtige
Titel für Depping und Schaarschmidt gegeben hätte, hätten die gleichen Leute
johlend und Deutschlandfahnen schwenkend vor dem Fernseher „Unsere Mädels“
gefeiert.
Sicher, Rallye-Sport ist umweltschädlich, das läßt sich kaum
wegdiskutieren. Und ich mag auch nicht die Polemikdebatte anheizen, indem ich frage,
wie viele Rallyes ein Schadensäquivalent zu den vielen „zivilen“ Autos auf dem
Parkplatz vor dem Bio-Markt darstellen. Aber hier wird auch noch etwas ganz
anderes vergessen: Autohersteller und Zulieferer bezahlen nicht so viel Geld
für den Rallyesport, weil sie zu viel davon haben. Und auch nicht nur, weil so
ein Engagement prestigeträchtig ist. Man könnte das Geld dann ja auch in simple
Medienwerbung stecken. Was vielfach nicht beachtet wird, ist die Tatsache, daß
der Rallyesport ein unschätzbares Experimentierfeld für jene Entwicklungen ist,
deren Existenz wir so gern in unseren eigenen Autos genießen.
Schon Bertha Benz, Ehefrau des Autoerfinders Carl Benz,
sorgte mit einer Aufsehen erregenden Langstreckenfahrt nicht nur für Werbung,
sondern auch für eine Erprobung der noch jungen Technik. Daran hat sich in all
den Jahren nichts geändert. Keine Computersimulation kann Bauteile dermaßen
hart prüfen, wie der Rallyesport mit seriennahen Fahrzeugen. All diese
„Verrückten Umweltzerstörer“ haben die Dinge einem Härtetest unterzogen, die
unsere Autos sicherer, effezienter und auch umweltfreundlicher machen. Das
McPherson-Federbein, Sicherheitslenksäulen, Anschnallgurte,
Fahrwerkselektronik, Turbolader, Airbags, Überrollkäfige, deren Existenz wir
schon mit bloßem Auge gar nicht mehr wahrnehmen. All diese Errungenschaften
wären ohne den harten Freilandtest bis zur Belastungsgrenze, oft auch darüber
hinaus, und gelegentlich auch mit tödlichen Folgen, undenkbar. Oder erst in
Dekaden zu erwarten.
Wer an seinem privaten Auto den Katalysator ausbaut, die
Federbeine sperrt, den Airbag deaktiviert, die Scheibenbremsen gegen Trommeln
austauscht, das Sicherheitsglas gegen Fensterglas, die Einzelradaufhängung
gegen Starrachsen, oder wer gar ganz auf Autos oder jedes durch Autos
entstandene oder beförderte Gut verzichtet, der darf meinetwegen diese harten
Worte in den Mund nehmen. Vom Rest würde ich mir wünschen, daß er über den
Tellerrand hinausblickt: Daß unsere Fahrzeuge so sicher, zuverlässig und
effezient funktionieren, daß nicht noch viel mehr Menschen auf der Straße ihr
Leben lassen müssen, das haben wir auch solchen „Verrückten“ wie Depping und
Schaarschmidt zu verdanken. Es ist sicher nicht unangemessen, beim nächsten
gelungenen Notmanöver einen kurzen Gedanken an sie zu verschwenden. Sie hätten
es verdient.