Samstag, 9. Februar 2013

Erich

Erich ist tot. Über Umwege erfuhr ich davon. Wieder ein langjähriger Kollege und Mitstreiter, einer, dem ich das eine oder andere in meiner Karriere verdanke. Ernüchtert lese ich die Traueranzeige und stelle fest, daß er gerade mal 66 geworden ist. Spontan fällt mir Udo Jürgens´ Schlager „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ ein. Ausnahmen bestätigen leider die Regel. Dann schließe ich die Augen und lasse Szenen mit Erich vor meinem inneren Auge ablaufen. Besonders eine Begebenheit ist mir überdeutlich präsent geblieben: Vor einigen Jahren, nach einem Kundenbesuch, saßen wir in der Hotelbar. Natürlich floß der Alkohol und wir waren ausgelassen und in Philosophierlaune. Da sagte er zu mir: „Weißt du.... wenn ich mal im Ruhestand bin, weiß ich genau, was ich tu: In meinem Arbeitszimmer stapelt sich der Mist aus diesem Job. Mein Vater war Holzschnitzer von Beruf, der hat mir seine ganze Werkstatt mit all den vielen Werkzeugen vererbt, weißt schon, die gute alte Handarbeit. Am Stichtag schmeiß ich den Berufskram da raus und richte mir auch eine Werkstatt ein, das mach ich dann als Altershobby!“ Es klang wirklich schön, so herrlich altmodisch und romantisch. Jetzt ist er tot, nur vier Jahre nach seinem Ruhestand und ich bezweifle, daß er bei der langen Krankheit, von der mir berichtet wurde, noch dazu gekommen ist, diese Werkstatt einzurichten. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß die ungeliebten Kundenmuster sich am Todestag noch immer in Erichs Arbeitszimmer stapelten. 

 „Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter!“. Dieser Spruch, eine Ableitung des „Carpe Diem“ von Horaz, wird nur allzu oft als Rechtfertigung für das hedonistische substanzlose Sich-treiben-lassen in zahllosen Parties mißbraucht. Ich denke, damit ist etwas ganz anderes gemeint. Wir brauchen ein Leben mit Strukturen, Plänen, Träumen und Verantwortung, aber wir haben nur dieses eine. Wir sollten jeden Tag so angehen, daß wir ihn als erfüllt betrachten können und Dinge nicht auf einen späteren Lebensabschnitt vertagen, es könnte zu spät sein. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod. Aber ich fürchte mich vor dem Tag, an dem ich feststelle, daß ich meine Lebenszeit mit Nichtigkeiten verschwendet und das Wichtige auf eine Zeit vertagt habe, die ich nicht mehr erleben werde. Ich kannte Erich privat nicht gut genug, um abschätzen zu können, ob er kurz vor dem Ende diesen Gedanken hatte. Ich wünsche es ihm nicht. 

Machs gut, Erich.

Gedicht: Wilde Träume

Wenn ich träume, träum ich Wildes
wilde Dinge, immerfort
Schließ ich die Augen, schließ ich kurz
kurz entschlossen, jetzt, sofort!

Will erleben, will erfahren
fahren Schauer auf der Haut
Dafür sind sie, sind es Träume
träume mit mir, wer sich traut!



©Weihe 2011

Niedergang

"Was für ein Niedergang eines technologieführenden Unternehmens! Früher hatten wir wenigstens noch billige Ausreden parat, heute haben wir nur noch hochwertige Ignoranz für den Markt übrig!"

Montag, 4. Februar 2013

Telekommunikation

Telekommunikation früher:

"Schatz, wunder dich nicht, wenn die Telefonleitung immer besetzt ist, unsere Tochter ist wieder stundenlang am Telefonieren!"

Telekommunikation heute:

"Schatz, wunder dich nicht, wenn die Bandbreite schlecht ist, unser Fernseher ist gerade im Internet und lädt sich Updates runter!" 

Sonntag, 3. Februar 2013

Drogenbos

Ein Chemikalienhersteller hat mich eingeladen, einen Vortrag an seinem Standort zu halten. Ich stutzte, als ich die Adresse sah: Ein kleines Städtchen in Belgien mit Namen Drogenbos. 
Sicher, etymologisch heißt das bestimmt nur Trockenbusch oder so, und hat zunächst nichts mit Drogenhandel zu tun. Aber wie in aller Welt soll ich da einen Vortrag halten, ohne immer Grinsen zu müssen?

Verkehr

Ich habe zunehmend den Eindruck, die Online-Gamer tragen ihre Welterfahrung in den Straßenverkehr. Deutlich erkennt man drei Grundregeln des virtuellen Lebens auf der Straße wieder:

1. Nur ich bin echt, alle anderen sind NPCs.
2. Die Kollision mit einem NPC kostet mich keine Lebenspunkte, ich rausche einfach durch diesen hindurch.
3. Wenn doch ein Wipe passiert, wache ich am nächsten Obelisken ( Spawnpunkt, Friedhof ) wieder auf.

Glücksspiel

"Glücksspiel kann süchtig machen!" - Kann Suchtspiel glücklich machen?

Gedicht: Erster Schnee, eine Winterelegie oder Epitaph eines Schneemannes ( 2011er Fassung )

Der Tag des ersten Schnees
ist der Tag, an dem mein Gemüt Kapriolen schlägt
als ob sie etwas verbrochen hätten. 

Ich schaue aus dem Fenster auf die schüchternen Flocken
und könnte ihm schreiben, über Gerechtigkeit philosophieren
ein schnulziges Buch lesen, oder ähnliches tun. 

Ich tue es nicht, aber etwas zieht mich dahin wie den Zugvogel
in die Netze der Vogelfänger.
Schwermütig, daß man mich auf eine Waage stellen sollte
und doch bis zum Abheben leicht ... verwirrt
ziehen meine Gedanken ihre quadrierten Kreise
und klatschen von innen an die Scheibe,
so wie von außen die Flocken. 

Nein, ich habe nicht meine Regel
eher meine Ausnahme.
Heute, einmal im Jahr
am Tag des ersten Schnees.



©Weihe 2011

Erinnerungen

Heute habe ich einen Kollegen beim Smalltalk darauf gebracht, sich an ein schönes Erlebnis zu erinnern, an das er schon Jahre nicht mehr gedacht hatte. Ich konnte an seinen leuchtenden Augen direkt sehen, wieviel Freude ihm die zurückgewonnene Erinnerung machte. Zuletzt hatte er sich bei mir bedankt, daß ich ihn daran erinnerte und meinte, er sei Dank mir heute fröhlich.
Einen schöneren Grund, einen Tag zu leben kann es eigentlich nicht geben, oder?