Freitag, 29. März 2013

Gedicht: Laß die Schmetterlinge fliegen!

Zu den Schmetterlingen in Deinem Bauch
kann ich nur sagen: Ich fühle sie, habe sie auch 

laß die kleinen Falter los, laß sie fliegen
sie werden überleben, werden siegen 

über Dunkelheit und Wind und Regen
bis sie sich zur Ruhe legen 

und ganz gewiß treffen sie dort auch
die Schmetterlinge aus meinem Bauch!


©Weihe 2011

Preßtechnik

Ich fahre oft an einer Fabrik für Preßtechnik-Erzeugnisse vorbei. Ich ahne nur vage, was die wohl herstellen, aber ihre Lagerhalle trägt die einladende Beschriftung "Preßtechnik Factory Outlet". In meinem Kopf formt sich eine Feierabendszene:

"Schatz, ich hab Dir was mitgebracht!"

 
"Oh, Blumen? Du Lieber!"


"Nein, neue Preßwerkzeuge, direkt vom Outlet Store. Da mußte ich einfach zuschlagen. Ich hab sofort an dich gedacht, Liebes."

BWL

"Aber natürlich könnten wir diesen Betrieb auch nach dem Tageshoroskop führen. Es wäre wenigstens eine Art von Planung und damit ein Fortschritt."

Verhandlungsgeschick

"Lagerbüro, guten Tag."

"Ja Hallo, eine Bitte: Uns ist das Kopierpapier ausgegangen, könnten Sie uns bitte welches vorbeibringen?"


"Ja, haben Sie denn die neue Vorschrift vergessen? Das Lagerpersonal ist kein Paketbote, das müssen Sie schon selbst holen."


"Ah, ich erinnere mich. Nun, dann sehe ich zwei Möglichkeiten. Entweder Sie lassen es trotzdem anliefern..oder....einer Ihrer Männer überläßt mir seinen Gabelstapler und ich fahre es selber, eine gültige Lizenz dafür habe ich."


"Ehm...reicht es, wenn wir es bis Elf Uhr gebracht haben?"


"Aber natürlich, vielen Dank auch."

Mitarbeiterpotential

"Mit den Fertigkeiten, die Sie hier erworben haben, können Sie noch mindestens zwei Wettbewerber ruinieren."

Qi-Gong

Die meisten werden die traditionellen chinesischen Qi-Gong-Kugeln kennen, mit denen man diverse Fingerübungen zugunsten der Reflexzonen und -wenn man denn daran glaubt- des Gleichgewichtes von Yin und Yang vollführen kann.

Die wenigsten werden wissen, wie schön man statt dessen ( eingeschränkt ) ähnliches mit einem Kaffeepad machen kann: Z. B. Vom Daumenballen bis auf die Fingerspitzen gleiten lassen, dann mit einer fließenden Bewegung wenden und wieder Richtung Handwurzel bewegen, das alles möglichst gleitend. Versucht es einmal!

Sonntag, 24. März 2013

Gedicht: Sturmvogel

himmlisch bleigrau drückt es
ein prüfend Blick, dort oben
knapp unter diesem dichten Deckel
schießt er voran, der Vogel

schießt voran in Richtung Meer
folgend alten, unsichtbaren Wegen
grüß mir, Bote, grüß mir
dort das lichterblaue Leben

der Sturm, er mag dich zehren
doch weiß ich, Vogel, was du denkst
der Aschenhimmel ist nicht endlos
das ist, wohin dein Weg dich lenkt

meine Sehnsucht schick ich mit dir
denn sie wiegt dir nichts dort oben
ich dagegen bleib gebunden
zu gerne wär ich mitgeflogen

 
©Weihe 2012

Kontrastprogramm

 In Hochstimmung stieg ich in meinen Wagen. Ich öffnete alle Fenster und ließ den Motor an, endlich Feierabend!
Dann klingelte der Wecker; ich hatte nur geträumt und mußte hoch, zur Arbeit. Brutaler kann man nicht von der Wirklichkeit eingeholt werden.

Camorra

"Wenn sie so über ihren Arbeitgeber reden könnte man meinen, sie arbeiten für die Camorra."

"Nein, stimmt nicht, es gibt Unterschiede: Die Camorra arbeitet auf einem Ehrensystem und hat ein planvoll formuliertes Unternehmensziel."

Roofing

Heute morgen sah ich einen Kleinlaster, offenbar der eines Dachdeckerbetriebes. Er war beschriftet mit "Direct Roofing Service", darunter die Schriftzüge "All Aspects of Roofing" und "Always one step ahead". Kein verirrter englischer Lieferant, kein US-Armykennzeichen sondern ein Frankfurter Kennzeichen und eine Frankfurter Vorwahl. Sogar das ehrwürdige Innungszeichen der Dachdecker fehlte. Sicher, Werbung soll vor allem auffallen und das tat sie. Aber ob sich der Sprachgebrauch so durchsetzen wird? Ich zweifle. 
 
"Schatz, es regnet durch! Das Dach muß dringend neu gerooftwerden!" 
 
"Ok, ich roof...ehm... ruf gleich mal den Crafter an."

Donnerstag, 14. März 2013

Axolotl

Manch einer dürfte das kennen: Kollegen, die mächtig nerven. Nicht einmal, weil sie feindlich gesonnen sind, nein, in diesem Fall geht es um die Sorte Kollegin, die freundlich, nett, fleißig ist und ansonsten die Weltsicht einer Weinbergschnecke und den Intellekt zehn Metern ungeteerten Feldweges hat. Kurzum: Jemand, der mir schon auf die Nerven geht, sobald sie nur Luft holt. Und auf dessen Kommentare ich -ich gebe es zu- reflexhaft doppelt so verschnupft reagiere, als wenn ein anderer Kollege sie geäußert hätte. Das Maß ist eben einfach voll. 

Nun hat besagte Dame ein Faible für Frösche. Wo sie geht und steht, müssen Bilder von Fröschen aufgehängt werden, vorzugsweise cartoonhafte Darstellungen, denn wie wohl auch sie weiß, ist der Frosch an sich weder besonders niedlich noch in seiner Anmut mit dem Regenbogen zu vergleichen. Nun geschah folgendes: In unserer kleinen Cafeteria hängen natürlich auch Frösche aller Art, daneben der eine oder andere mehr oder weniger lustige Schnipsel aus der BILD oder der ADAC-Motorwelt. Wie eine Cafeteria in einer Firma halt aussieht. 

Kultursnob, der ich bin, habe mir als seelisches Gegengewicht eine eigene Pinnwand eingerichtet; dort hänge ich gelungene  Kolumnen aus der ZEIT auf, dazu klassische Gedichte ( ich liebe Rilke und Mörike ) und gelegentlich eine treffliche Weisheit oder einen Dilbert-Cartoon. Neulich trank ich einen Kaffee und erschrak: Quer über "meiner" Pinnwand hing ein neuer ausgedruckter Frosch! Bildersturm und Ketzerei! Rilke entweiht! Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich der Frosch als eine Art Molch mit seltsamem Kiemenwuchs und einem ungewöhnlich menschlichen, beinahe püppchenhaften Gesicht. Und natürlich ohne jeden erklärenden Kommentar. "Aha!", dämmerte es mir! Eines der Millionen Photoshop-manipulierter Bilder. Katzen mit viereckigen Augen, Pferde mit zwei Beinen, Pretzel the Dachshund, alles klar. 

Vor meinem geistigen Auge formte sich meine Kollegin, ein "Och, ist der süüüüß!", glucksend und nicht ahnend, daß sie a) nicht kapierte, daß das eine Photomanipulation ist, ein Fantasiewesen, b) sie damit die Grenze zum guten Geschmack ( im wahrsten Sinne ) überschritten hatte und Rilke mit ihrem dämlichen Molch entweiht hat. Wahrscheinlich wußte sie nicht einmal, wer Rilke ist! Sofort schwoll mir der Hals an. Hinfort mit dem dummen Ding. Ich nahm das Blatt, klebte einen Tesafilm an und -Patsch!- klatschte ich es an den unteren Rand der drohend wuchernden Froschsammlung. Zufrieden erzählte ich meinen begabteren Kollegen von der unerhörten Entweihung der Kulturecke und der erfolgreichen Entfernung und Verbannung in das Reich  der Weinbergschnecken. 

Einige Tage später kam eine andere Kollegin auf mich zu. Eine eher dezente, seriöse Dame, mit der ich mich gelegentlich unterhalte. "Haben sie den Axolotl gesehen, den ich aufgehängt hatte? Ich dachte mir, das Tierchen würden sie vielleicht interessant finden. Es ist in der freien Wildbahn eher selten und kommt meist in Abwassersystemen in Mexico vor. Ist aber beliebt bei Züchtern, weil er leicht zu halten ist und so ungewöhnlich aussieht!" Ich lief knallrot an und mußte mich danach erstmal eine Weile in die Cafeteria setzen und den Axolotl begaffen. Eine Bildungslücke hatte mich aufs Glatteis geführt und in meiner bornierten Pauschalisierung hatte ich eine ganz und gar Unschuldige einer weiteren Dummheit verdächtigt. Auch wenn sie es durchaus hätte gewesen sein können, ich schämte mich und nahm mir vor, den Menschen mal wieder etwas unvoreingenommener entgegen zu treten, ein guter Anlaß dafür.

Samstag, 9. März 2013

Gedicht: Antithese(us)

Millionenfache Ariadne
millionenfacher Theseus 


Millionen Fäden
gespannt für die Flucht
aus Millionen Labyrinthen 


und Du bist der Idiot
der darüber stolpern muß. 

 
©Weihe 2011

Behauptung

"Am Markt behaupten? Das nennen Sie sich am Markt behaupten
Sie gehen höchstens los und behaupten gegenüber dem Markt irgendwas unhaltbares, das ist aber nicht das Gleiche!"

Feucht(t)raum

"Souterrain mit Meeresblick...... was wohl damit gemeint ist?"

"Ein vollgelaufener Keller, würd ich vermuten."

Sonntag, 3. März 2013

Leben

Zum Beginn der Motorradsaison

Eine Szene, wie sie jeden Tag vorkommt. Eine kurvenreiche Straße, eine scharfe Kurve mit einer kurzen Bremsspur. Die junge Motorradfahrerin muß in ihren letzten Momenten vor Angst gebremst haben, ein tödlicher Reflex. Rutschendes Hinterrad, Highside-Überschlag, ab in die Bäume. Ob sie die Kurve zu schnell anging oder ihr ein Fahrer im Gegenverkehr die Kurve schnitt, wird man nie erfahren. Und selbst wenn, so würde es nichts ändern. 

Wir neigen in unserem gesicherten Wohlstand und Überfluß dazu, auch unsere Existenz als sicher gegeben zu betrachten. Dabei sind wir nur allzu endlich und zerbrechlich. Das Leben ist unser größtes Geschenk, vielleicht ist heute ein guter Tag, es zu würdigen. Ist heute nicht ein guter Anlaß, sich beim Fahren zu konzentrieren, das Radio leise zu drehen, weniger aggressiv zu fahren, mit den Gedanken nicht in der Firma, sondern am Lenkrad zu sein?

Erhabenheit

Eine Laune ließ mich im April den Weg auf die Seiseralm einschlagen, eine große Hochalm ( ich glaube sogar die größte Europas ) in Südtirol. 
Es war eine Jahreszeit, in der die Skifahrer mangels geschlossener Schneedecke schon weg waren, die Bergwanderer wegen des unangenehmen Wetters aber noch nicht da. Menschenleer und still war es, als ich den Wagen anhielt und einige Schritte ging. Ungläubig blickte ich auf das, was ich anfangs für Schneeflächen hielt, in Wahrheit waren es Krokusse, Millionen über Millionen kleiner schneeweißer Krokusse! 
Soweit das Auge reichte, bedeckten sie den gerade mal frostfreien Boden. Gebannt starrte ich auf die einsame Pracht und kam mir ganz klein vor. Die Natur schert sich nicht darum, ob wir ihr zusehen, sie kann ganz für sich allein so prächtig und verschwenderisch zugleich sein, etwas, das wir unbedeutenden Menschen allzu gern nur für Zuschauer reservieren, um zu beeindrucken. Wahre Erhabenheit hat dies nicht nötig, die Krokusfelder in ihrer stolzen Schönheit zeigten es überdeutlich. 
Fast 20 Jahre ist das nun her, aber das Bild in meiner Erinnerung hat in seiner Lebendigkeit nicht nachgelassen, noch heute rinnen mir Tränen der Ergriffenheit über die Wangen, obwohl und gerade weil es die Krokusse gar nicht interessiert. Welcher Showstar, welches Fotomodell könnte solche Gefühle auslösen? Von der Natur können wir lernen, was Erhabenheit wirklich bedeutet.

Gedicht: Kalendarium

Geschichte ist ein Fluß, der in uns fließt
eigner Acheron, in dem wir zu ertrinken drohn 

 
Hekates vergessene Kinder
Blätter auf dem Kalender 

 
Herbstlaub im Zeitenwald
so enden wir alle bald


so Du, so ich
Kalender, unser aller Zuversicht


©Weihe 2011

Leidenschaft

"Jetzt lieben wir uns schon so lange, da habe ich es eben geschafft, es zu dosieren!"

Weltkonzern

"Sicher ist dies ein Weltkonzern, meine Herrschaften. Dritte Welt eben."

Eisenbahn

"Die Eisenbahn als Transportmittel für die Bevölkerung? Meine Herrschaften, seien Sie doch bitte nicht absurd: Ein ICE, halb voll mit Managern, die Bahntickets, teurer als eine Flugreise erfolgreich von der Steuer -und damit von unser aller Vermögen- absetzen können, das ist keine Eisenbahn, das ist Latte Macchiato auf Schienen!"

Einsparungen

"Wir haben ein neues Einsparungsprojekt gestartet: Um endlich die Kosten für Kurierfahrten zu eliminieren, haben wir ein nachhaltiges Aktivkonzept für den Postversand implementiert. Ab jetzt wird die Post wieder in der örtlichen Postfiliale abgegeben."

"Aber die Versandabteilung hat doch gar kein Dienstfahrzeug mehr, das ist doch letztes Jahr aus Kostengründen wegrationalisiert worden. Wie kommt die Post jetzt zur Postfiliale?"

"Auch dafür haben wir eine Lösung gefunden: Das erledigt ab sofort ein Kurierdienst."

"Eine Runde Dilbert-Comics auf meine Kostenstelle!"